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SZ Wissenschaft, 23. Februar 2000, S. 18

Abenteuer mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit

Berliner Wirtschaftswissenschaftler entwickeln interaktives Lernprogramm für Statistik

Langsam reicht es den Anwohnern der Goethe-Straße. In letzter Zeit ist der Verkehr unerträglich geworden. Sie entscheiden: Wir wehren uns! Um die Stadträte von ihrem Problem zu überzeugen, beschließt eine Bürgerinitiative, die Lärmpegel zu messen und statistisch auszuwerten. Die Folge: Es kommt zu Aufruhr und Verwicklungen. Was hier wie eine Geschichte aus der TV-Serie Lindenstraße klingt, entstammt einem Video, mit dem Studenten der Wirtschaftswissenschaften trockene Statistik-Aufgaben erlernen sollen.

Die Idee dazu stammt vom Center für Digitale Systeme der Freien Universität Berlin. Gemeinsam mit weiteren deutschen Universitäten entwickelten sie das multimediale Lernprogramm Statistik interaktiv! Hintergedanke des Projektleiters Nicolas Apostolopoulos von der FU Berlin war. Oft könnten die Studenten zwar die Aufgaben richtig berechnen, es falle ihnen jedoch schwer, sich unter dem Ergebnis etwas Konkretes vorzustellen - etwa wie Statistik im realen Leben wirkt. Hier solle die Video-Geschichte helfen, die Theorie in einem authentischen Zusammenhang zu sehen, sagt Cornelia Fungk, wissenschaftliche Angestellt an der FU Berlin.

Weltweit überdenken Experten der Ausbildungsszene die bisher passiven Lehrmethoden. "Wir dürfen nicht länger den Studenten abfragen was er weiß, sondern was er kann", sagt Roger C. Schank, Professor am Institute for the Learning Sciences der Northwestern University im amerikanischen Bundesstaat Illinois. Dabei macht er darauf aufmerksam, dass die Auswendiglernerei auf Prüfungen hin, wie sie derzeit gang und gäbe sei, doch nur ein Speichern von Wissen auf kurze Zeit bedeute. Das habe nichts mit Begreifen zu tun. Deswegen müssten Lernwerkzeuge her, die den Lernenden durch Dialog fesseln. Bei Statistik interaktiv! Navigiert das 40Minuten lange Video durch den Lehrstoff. Die Seiten der Geschichte sind direkt mit den entsprechenden Seiten aus der Theorie verknüpft. Ein sogenanntes Statistik-Labor birgt vorgegebene Datensätze und Zufallsgenerator, Wahrscheinlichkeitstabellen und unterschiedliche Diagrammtypen. Dort lassen sich auch lineare Regression berechnen. Natürlich müssen die Studenten auch Kontrollfragen und Übungsaufgaben lösen. Ihre Ergebnisse können sie dann mit Musterlösungen vergleichen.

Statistik interaktiv! kommt im April in den Handel. Bereits jetzt arbeiten Studenten an zwei Universitäten vorlesungsbegleitend mit der Statistik-Software und setzen sich bei der Stadtverwaltung erfolgreich durch: Die Wohnstraße wird zur beruhigten Zone erklärt.

Hilfe-Josephine Post
SZ Wissenschaft


© Süddeutsche Zeitung 2000

 

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